Chronik/Geschichte

Die Geschichte der Marktgemeinde Lenzing


Ur- und Frühgeschichte

Wie man aus der Geschichte weiß und dies durch Funde bestätigt werden konnte, war das Gebiet um den Attersee, insbesondere auch an der oberen Ager, bereits vor rund 6.000 Jahren besiedelt. Archäologische Nachweise am oberen Agerausfluss, die in den jüngsten Grabungen der Jahre 2014 und 2015 am sog. Burgstall in der Ortschaft Unterachmann gemacht wurden, sowie Reste von Pfahlbaudörfern in den Ortschaften Seewalchen, Weyregg und Attersee aus der sog. Mondseekultur (ca. 3.700 bis 3.300 v. Chr.) zeugen davon. Die durch das Salzkammergut führende Straße von Hallstatt über Bad Ischl, Weißenbach, Weyregg und Schörfling-Kammer nach Vöcklabruck war eine nicht zu unterschätzende Lebensader, die auch dazu führte, dass sich Menschen entlang dieser Straße bzw. entlang der Ager ansiedelten. Funde aus Bronze, wie eine Armspirale aus Pichlwang, Schälchenkopftnadeln und Fibeln aus Pettighofen oder ein Beil aus Reibersdorf, bestätigen, dass dieses Gebiet auch in der Bronzezeit (1.300 bis 800 v. Chr.) bewohnt war. Die Besiedelung setzte sich auch in der Römerzeit fort, wovon Baureste und ein Münzfund im heutigen Betriebsgelände der Lenzing AG und Tonurnen mit Leichenbrand aus Gallaberg ihr Zeugnis ablegen. Die Römer dürften die Schönheit dieser Landschaft zu schätzen gewusst haben. Am Attersee entstanden prächtige Villen, z. B. in Weyregg, wo der größte Mosaikfund Oberösterreichs entdeckt wurde. Der Handelsweg über Lenzing mündete in Oberthalheim in die sog. Römerstraße, welche von Wels (Ovilava) bis nach Salzburg (Iuvavum) führte. Daraus lässt sich schließen, dass zu dieser Zeit ein reger Handel betrieben wurde. 


Bajuwarische Landnahme

Etwa ab dem 7./8. Jh. n. Chr. setzte die bajuwarische Besiedlung im Donau- und Alpenraum ein. Dieses Volk bewohnte vorwiegend Gebiete, in welchen Ackerbau und Viehzucht möglich waren. 773 wird Pichlwang erstmalig in einer Urkunde genannt. Der Name Lenzing taucht erstmals 1389 auf, der auf den mythischen Hofbeamten Lanzo zurückzuführen ist, welcher das waldreiche Gebiet am rechten Agerufer im Auftrag seines Lehensherrn einnahm. Um 1371 scheinen Pettighofen im Urbar der Herrschaft Schaunberg und um 1350 Arnbruck im Grundbuch des Stiftes Michaelbeuern auf. Die Bewohner dieser Zeit gingen hauptsächlich der Landwirtschaft und dem Handwerk nach, was die Entstehung der Mühlen an der Ager bezeugt. Sie alle unterstanden unterschiedlichen Grundherrschaften wie Kammer, Dietach (Schleißheim bei Wels), Mühlwang (Gmunden), Köppach (Atzbach), Wagrain (Vöcklabruck), Walchen (Vöcklamarkt), Schmiding (Krenglbach), Wartenburg (Timelkam) und dem Kloster Michaelbeuern. Die Grundherrschaft wurde fast ausschließlich von Adeligen und den Klöstern ausgeübt und alle Bewohner unterlagen ihrer Untertänigkeit. Die folgenden Jahrhunderte waren gekennzeichnet von Unterdrückung und Krieg. Die Lehre Martin Luthers und die Bauernaufstände (oberösterreichischer Aufstand von 1626) dürften das Gemeindegebiet von Lenzing ebenfalls berührt haben. 


In napoleonischer Zeit war die Ager von 1810-1816 Staatsgrenze. Pettighofen und Arnbruck wurden bayrisch, das rechte Agerufer blieb österreichisch.


Gründung der Stammgemeinde Oberachmann

Das Jahr 1848 brachte die Einrichtung der Ortsgemeinden Lenzings. Mit Erlass des Statthalters des Kronlandes ob der Enns vom 31. Juli 1851 wurde die Stammgemeinde Oberachmann gegründet und zählte 701 Einwohner. 


Die Geburtsstunde der industriellen Entwicklung der heutigen Gemeinde Lenzing fand im Jahr 1891 statt. Der aus Ternitz in Niederösterreich stammende Fabrikant Emil Hamburger ersteigerte zuerst die Starlingermühle und baute diese in eine Zellstoff- und Papierfabrik um. 1894 kam die Mühle in der Au in Pettighofen hinzu, die er ebenfalls als Papierfabrik adaptierte, sowie die Fellingermühle in Unterachmann, die zu Arbeiterwohnungen umfunktioniert wurden und die Raudaschlmühle, die er als Sägewerk und Holzschleiferei umbauen ließ. 


Im frühen 20. Jh. wurden in Lenzing die ersten kulturellen Vereine gegründet, wie der Arbeitermusikverein Pettighofen (1919) oder der ATSV Lenzing (1922). Auch ein Schrammelquartett und eine Theatergruppe nahmen 1920 ihre Tätigkeit auf. 


Die politischen Streitigkeiten der 1920er und 1930er Jahre zwischen den beiden größten Parteien, den Christlichsozialen und den Sozialdemokraten, waren auch in Lenzing spürbar. Während der Februarrevolution des Jahres 1934 verhinderte die Heimwehr durch die Besetzung der Ortschaft Arnbruck und des Werksgeländes der Papierfabrik die Hilfestellung der Lenzinger Sozialisten, die ihren Gesinnungsfreunden in Attnang und Ampflwang zu Hilfe eilen wollten. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen am 12. März 1938 wird mit dem Bau des neuen Zellwollewerkes begonnen. Ein Jahr später sprachen sich die Vertreter der Gemeinde Oberachmann für die Neugründung einer eigenen Industriegemeinde aus. Am 1. April 1939 wurde die neue Gemeindegrenze in jenem Umfang gezogen, wie sie zum heutigen Zeitpunkt besteht. Man erhielt Gebietsteile aus den Nachbargemeinden Schörfling, Seewalchen und Timelkam und trat wiederrum an Schörfling Ortschaften ab. Die Gemeinde zählte zu diesem Zeitpunkt 2.730 Einwohner. Mit 1. Jänner 1940 wurde der Gemeindename auf „Agerzell“ geändert. Durch den Bau des Zellwollewerks änderte sich auch die Sozialstruktur der Gemeinde. Von der ehemals ländlich geprägten Stammgemeinde Oberachmann vollzog sich der Schritt zu einer Industriegemeinde. Güterwege, Wasserversorgung und Kanalisation wurden geschaffen. Am 1. Jänner 1942 erfolgte die Installierung eines eigenen Gendarmeriepostens. Der Bahnhof Lenzing konnte 1944 vollendet werden. Mit dem Einmarsch der amerikanischen Befreiungsarmee am 5. Mai 1945 ging die nationalsozialistische Herrschaft zu Ende. Er kostete 184 Soldaten der Gemeinde Agerzell das Leben, 44 Personen galten als vermisst. 



Aufschwung im Kommunalbau

Am 1. Jänner 1950 entstand die röm.-kath. Pfarre. 1962 konnte die Pfarrkirche und 1973 das Lenzinger Kreuz geweiht werden, das mit der übrigen kunstvollen Ausgestaltung des Kirchenhauses durch Schneider-Manzell in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Die evangelische Pfarre „Lenzing-Kammer“ hat ihren Mittelpunkt in der Rosenau. Die 1960er und 1970er Jahre standen im Zeichen einer Aufbruchstimmung in Richtung Marktgemeinde. Es entstanden das Kriegerdenkmal (1960), das Pensionistenheim (1962), das Sozialhaus (1964), das Volksheim (1967), der Gemeindekindergarten (1964) im heutigen Vereinsheim des Waldstadions, sowie das Sportstättenzentrum (1973).


Lenzing heute

Die Marktgemeinde Lenzing zählt mit Stand Juni 2020 5.220 Einwohner. Sie verfügt über zwei Kindergärten, zwei Volksschulen, eine Hauptschule, Behörden wie Gemeindeamt, Gendarmerie und Post, zwei Kirchen, ein Kino, ein Alten- und Pflegeheim, ein Kulturzentrum und zwei Feuerwehren. Weiters bietet die lebenswerte Gemeinde elf Kinderspielplätze, eine Freibadeanlage, Schrebergärten und verschiedene Wanderwege. Seit 2015 unternimmt die Marktgemeinde Lenzing umfassende Baumaßnahmen, um die Wohn- und Lebensqualität noch weiter zu verbessern. Der gesamte Komplex der ehemaligen Volks- und Hauptschule wurde abgetragen und auf diesem Areal der Wohnpark „Lenzing Mitte“ mit 7 Wohnhäusern errichtet. Auf dem Areal der ehemaligen Sporthalle neben der BadeOase wird seit August 2019 am zweiten großen Wohnprojekt mit 50 Wohnungen und einem Nahversorger gefeilt. Derzeit sind der Bau des neuen Dienstleistungszentrums am Hauptplatz, eines neuen Sportstättenzentrums, der neue Kindergarten Burgstall und der Umbau des ehemaligen Pfarramtes zu einem Museum, der Ortsgeschichte inklusive Astronomieausstellung des Astronomischen Arbeitskreises Salzkammergut und der Gesichte der Siebenbürger Sachsen Rosenau in Planung.


Die Kulturorganisationen bemühen sich um eine gesunde und sinnvolle Freizeitgestaltung. Der ATSV Lenzing mit zehn Sektionen, die Naturfreunde Lenzing, der ARBÖ, die Kinderfreunde, der Arbeitersängerbund, der Pensionistenverband, die Volkshochschule, der Musikverein Werkskapelle Lenzing, der Jugendclub, das Eltern-Kind-Zentrum, das Marktbrettl, der Tanzclub und der Tennisclub sind Einrichtungen, die das kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Gemeinde wesentlich gestalten. Mit der 1994 erfolgten Deklaration zur Europagemeinde bekennt sich Lenzing zum Grundgedanken eines vereinten Europas. Seit 1990 besteht mit der deutschen Gemeinde Bisingen eine Partnerschaft, die vor allem auf kultureller und sportlicher Ebene zu wertvollen Kontakten geführt hat. Neben dem Europagedanken verfolgt Lenzing mit den Friedenstagen eines der wichtigsten Ziele unserer Zeit. Seit der Erklärung zur Friedensgemeinde anlässlich der 50-Jahr-Feier im Jahr 1989 finden jährlich am 1. April Friedensveranstaltungen statt. 


Mit 75 Mittel- und Kleinbetrieben (Stand April 2020) ist sie eines der wirtschaftlichen Zentren Oberösterreichs. Der innovative Unternehmergeist, die hohe Qualifikation und die Fortbildungsbereitschaft der Arbeitnehmer haben aus Lenzing eine pulsierende Wirtschaftsregion gemacht. Diese Vielseitigkeit garantiert einen hohen Lebensstandard. Neben der weltweit bekannten Lenzing AG, einem der Leitbetriebe der oberösterreichischen Industrie, zählen die Firmen Lenzing Plastics, Lenzing Technik, Lenzing Papier, Jodl Verpackungen, Wozabal Miettex, Danisco, Melecs, CTS, das Bildungszentrum und die Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft zu den bedeutendsten Unternehmen. Einen ebenfalls wichtigen Faktor in der Wirtschaftsstruktur bilden die Handwerks- und Gewerbebetriebe. Dazu kommt die intakte Landwirtschaft mit ihrer wichtigen Bedeutung für die Umwelt und das Ortsbild.


Lenzing beweist, dass sich Industriezentrum und gesunde Umwelt nicht ausschließen. Modernste Anlagen und ein enormer finanzieller Aufwand haben die Luftsituation gravierend verbessert. Durch die Inbetriebnahme der biologischen Großkläranlage gehört auch die Verschmutzung der Ager längst der Vergangenheit an.